Der Europäische Aal
(Anguilla
anguilla) ist eine Art der Flussaale und in ganz
Europa, Kleinasien und Nordafrika beheimatet. Er hat
einen schlangenförmigen, langgestreckten, drehrunden
Körper. Die Rücken-, Schwanz- und Afterflosse bilden
einen durchgängigen Flossensaum. In der dicken Haut
sind sehr kleine Rundschuppen eingebettet. Der
europäische Aal hat ein oberständiges Maul, das
heißt der Unterkiefer ist etwas länger als der
Oberkiefer. Die Färbung auf der Oberseite kann
zwischen schwarz und dunkelgrün schwanken,
wohingegen die Unterseite von gelb (junger, sog.
Gelbaal) bis weiß (erwachsener, sog. Blankaal)
variieren kann.
Erwachsene Weibchen können bis zu 150 cm lang und 6
kg schwer werden, Männchen erreichen nur 60 cm
Länge. Solche Größen werden aber extrem selten
erreicht, und schon ein Weibchen von einem Meter
Länge ist ausgesprochen groß. Vom Amerikanischen Aal
ist der Europäische Aal
Lebenslauf der Aale
Aale schlüpfen im Atlantik, in der Sargassosee (in
der Nähe der Bahamas). Wegen ihrer Form heißen die
Aallarven Weidenblattlarven (Leptocephalus-Larve).
Etwa drei Jahre brauchen diese Larven, um von der
Sargassosee an die europäischen Küsten zu gelangen.
Während man früher annahm, dass sie sich dabei
passiv vom Golfstrom tragen lassen, weiß man heute,
dass die Larven aktiv schwimmen
Wenn die Weidenblattlarven in den europäischen
Küstengewässern ankommen, wandeln sie sich zu den
ca. 7 cm langen Glasaalen. Im Frühjahr schwimmen sie
in zum Teil großen Schwärmen von den europäischen
Küsten flussaufwärts in die Binnengewässer des
Landesinneren. Während dieser Zeit heißen sie
„Steigaale“, wegen ihrer gelblichen Bauchfärbung
auch „Gelbaale“. In ihren Heimatgewässern wachsen
sie die nächsten Jahre zur vollen Größe heran.
Weibliche Tiere werden mit 12 bis 15 Jahren
geschlechtsreif, männliche bereits in einem Alter
von sechs bis neun Jahren. Zum Ablaichen wandern die
Tiere im September/Oktober aus den Gewässern des
Landesinneren über die Flüsse dahin zurück, wo sie
geschlüpft waren: in die Sargassosee. Dabei werden
innerhalb eines Jahres teilweise Strecken von über
5000 Kilometern ohne Nahrungsaufnahme gegen den
Golfstrom zurückgelegt. Ergebnisse, die per
Satellitentelemetrie an Aalen gewonnen wurden, denen
satellitenerkennbare Markierungen angebracht wurden,
zeigten, dass die Tiere sich während der Wanderung
tagsüber in kühlen Wässern zwischen 200 und 1000
Metern Tiefe aufhalten und nachts in wärmeren
Oberflächenbereichen schwimmen. Dabei legen sie
zwischen Irland und den Bahamas auf den ersten 1300
Kilometern nur 5–25 Kilometer pro Tag zurück, viel
weniger als die 35 Kilometer, die nötig wären, um
innerhalb eines Jahres die Strecke von 5000 km zu
bewältigen.[1] Daraus folgert man, dass die Aale
später Wasserströmungen ausnutzen, die ihnen dann
eine höhere Tagesgeschwindigkeit ermöglichen.
Während der letzten Zeit in den Binnengewässern und
auf dem Weg zurück zum Meer verändern sich die
Körpermerkmale der Tiere: Ihre ursprüngliche Färbung
wechselt von grün-braun zu silbrig-grau, der After
zieht sich ein und die Augen vergrößern sich – der
Aal wird zum „Blankaal“. Dieser Umwandlungsprozess
dauert ca. vier Wochen. In dieser Zeit wird die
Nahrungsaufnahme immer weiter eingeschränkt und
schließlich ganz eingestellt, denn der
Verdauungstrakt bildet sich komplett zurück.
Stattdessen entwickeln sich die Geschlechtsorgane,
die später die gesamte Leibeshöhle einnehmen. Die
Energie für den „Umbau“ des Körpers und für die
lange Reise zum Laichort entnehmen die Aale
ausschließlich ihren Fettreserven, die sie sich im
Laufe der Jahre angefressen haben. Das Fettreservoir
wird in den Eingeweiden und unter der Haut gebildet:
Aale gehören zu den so genannten „Fettfischen“, denn
ihre Körpermasse kann bis zu 30 % aus Fett bestehen.
Das Umfärben ist vermutlich eine Anpassung an die
Gegebenheiten des offenen Meeres – dort ist ein
silbrig-glänzender Unterbauch weniger auffällig als
ein gelber. Auch die vergrößerten Augen der Tiere
könnten eine weitere Anpassung an die Gegebenheiten
des Meeres sein.
Während der Wanderung müssen sich die Aale den
erheblichen Änderungen in der Umgebungsosmolarität
anpassen. Dabei kommt es zu Umwandlungen in den
Kiemenepithelien der Tiere. Dieser Prozess wird vor
allem durch Prolaktin gesteuert, ein Hormon, das
beim Menschen vor allem aufgrund seiner Wirkung auf
die Milchdrüsensekretion bekannt ist.
In der Sargassosee laichen die Tiere ab und sterben.
Aale sind in der Lage, beachtliche Strecken über
feuchtes Land zurückzulegen, denn sie können den
lebensnotwendigen Sauerstoff über die Haut aufnehmen
Lebensweise
Aale sind insbesondere in der Dämmerung und in der
Nacht aktiv. Sie ernähren sich vorwiegend von
Würmern, (Klein-)Krebsen, Insektenlarven etc., aber
auch von Fischlaich und Fischen. Kleinfische werden
aktiv im Mittelwasser und an der Wasseroberfläche
gejagt. Dabei entpuppt sich der Aal als geschickter
Jäger.
Der Europäische Aal kommt in unseren Gewässern in
zwei Ernährungsvarianten vor: Variante 1 ist der
Spitzkopfaal, mit schmalem Kopf und spitz
zulaufender Schnauze, der sich vorwiegend von
Krebsen etc. ernährt. Variante 2 ist der
Breitkopfaal, mit breitem Kopf und breiter Schnauze,
ein Fischjäger.
Beide Formen existieren auch nebeneinander in den
gleichen Gewässern, wobei die prozentuale Verteilung
auf die beiden Formen ausschließlich von dem
vorherrschenden Nahrungsangebot abhängt. So wird man
in Gewässern mit einem übermäßigen Bestand an
kleinen Fischen und einem geringen Bestand an
Krebsen bis zu 90 % Breitmaulaale im Verhältnis zu
Spitzmaulaalen finden und umgekehrt.
Die oft verbreitete Aussage, Aale seien Aasfresser,
resultiert aus ihrem Versteckverhalten, was früher
durch das Auslegen von Tierschädeln zum Fang genutzt
wurde. Diese Fangmethode wurde in der Blechtrommel
von Günter Grass literarisch zwar sehr schön,
fachlich aber grundfalsch beschrieben. Fischer
wissen, dass Aale bestenfalls frisch getötete Köder
fressen, niemals aber verweste. Der Grund liegt
nicht zuletzt in dem extrem fein ausgebildeten
Geruchssinn des Aales begründet. Er ist in der Lage,
einzelne Geruchs- oder Geschmacksmoleküle wahr zu
nehmen. Seine röhrenartig ausgebildeten Nasenlöcher
befähigen ihn zudem, eine Geruchsspur in allen drei
Dimensionen wahr zu nehmen und zu verfolgen
(stereoskopisches Riechen).
Die große Reise
Aale sind, wie angedeutet, katadrome Wanderfische,
was bedeutet, dass sie zum Laichen vom Süßwasser ins
Meer ziehen. Die Reise in die Sargassosee dauert ein
bis anderthalb Jahre, und sie beginnt in den
Wohngewässern der Aale. Zwischen Oktober und
November, bei mildem Wetter auch noch im Dezember,
werden die Aale unruhig und ziehen los. Die Zugzeit
liegt in den Abend- und Nachtstunden. Vor allem bei
sehr schlechtem Wetter, wenn es stürmt und regnet,
scheint sich die „Reiselust“ der Aale zu erhöhen.
Anfangs ziehen sie noch sehr aktiv, schlängeln sich
aus den kleinsten Gräben in größere Bäche oder auch
aus stehenden, abgeschlossenen Gewässern durch
feuchtes Gras in den nächsten Bach oder Fluss. In
den großen Strömen wie Rhein, Weser, Ems, Elbe und
Oder aber lassen sie sich dann energiesparend
weitgehend von der Strömung treiben. Dabei schweben
sie, S-förmig gekrümmt, im Mittelwasser. In der
Mündung angekommen, schwimmen sie wieder aktiv und
gehen sofort auf Tiefe. Während ihrer Wanderung im
Meer führen die Blankaale tagesperiodische
Vertikalwanderungen aus, d. h. tagsüber schwimmen
sie in Tiefen bis zu 1000 m und steigen nächtens
fast bis an die Wasseroberfläche.[2] Im folgenden
Jahr treffen sie dann in der Sargassosee ein, wo sie
vermutlich in Tiefen bis zu 2000 m laichen. Dieser
letzte Lebensakt raubt ihnen dann auch die
allerletzten Energiereserven – nach der Paarung und
Abgabe der Geschlechtsprodukte sterben sie.
Wissenschaftsgeschichte
Der Lebenszyklus des Europäischen Aales gab den
Menschen über viele Jahre Rätsel auf. Aristoteles
war noch davon überzeugt, dass Aale entweder spontan
im Schlamm entstünden, sich aus Staub bildeten oder
von Erdwürmern geboren werden. Auch die
lebendgebärende Aalmutter (Zoarces viviparus), ein
kleiner bis mittelgroßer Meeresfisch mit
langgestrecktem Körper, erhielt ihren Namen, weil
ihr nachgesagt wurde, sie gebäre kleine Aale. Im
Mittelalter wurde der Aal häufig den Schlangen
zugeordnet oder zumindest behauptet, dass Aale und
Schlangen sich paaren würden. Zahlreichen
Bestandteilen des Aals wurden in der Volksmedizin
heilende Kräfte zugesprochen.
Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannte man
die durchsichtigen und weidenblattähnlich geformten
Fischchen, die bis dahin als Leptocephalus
brevirostris wissenschaftlich beschrieben worden
waren, als Larvenform der Aale. 1922 entdeckte der
dänische Zoologe Johannes Schmidt die bis heute
kleinsten Larven nördlich der Bermudas. Der genaue
Paarungsprozess konnte bisher nie in freier Wildbahn
nachvollzogen werden. [3] Wo die afrikanischen,
japanischen und anderen asiatischen Arten laichen,
ist ebenso unbekannt.
Gefährdung
Fischfang
Glasaale werden in großen Mengen vor den
europäischen Küsten gefangen, um direkt verzehrt
oder in Aquakulturen gemästet zu werden. In den
letzten Jahren gingen die Fangzahlen dramatisch
zurück (laut Greenpeace in den letzten 20 Jahren um
99 %).
Schwimmblasenwurm
Der aus dem asiatischen Raum eingeschleppte Parasit
lebt als Larve obligat in Hüpferlingen und wird mit
ihnen vom fressenden Aal aufgenommen. Im Aal
entwickelt sich der Wurm und wandert in die
Schwimmblase, wo er von Epithel- und auch Blutzellen
lebt. Die Schwimmblase wird durch den Wurm
geschädigt und kann ihre Funktion, das Austarieren
des Fisches im Freiwasser, nicht mehr erfüllen. So
lange der Aal im Süßwasser lebt, ist er ein
Bodenfisch, der nur wenig auf seine Schwimmblase
angewiesen ist. Sobald er aber als Blankaal ins Meer
wandert, wird die Schwimmblase zu seinem wichtigsten
Druckausgleichsorgan. Eine geschädigte Schwimmblase
kann aber dem Aal kein schwereloses Schweben im
Wasser mehr ermöglichen, so dass der Aal vermehrt
Energie ins Schwimmen stecken muss. Diese Energie,
die er ja ausschließlich aus seinen Fettreserven
bezieht, reicht dann evtl. nicht mehr für die
gesamte Reise aus, bzw. fehlt beim späteren
Laichgeschäft. Das heißt, dass der Aal während der
Reise verhungert bzw. später nicht mehr laicht.
Umweltverschmutzung
Viele Giftstoffe, die in die Flüsse gelangt sind,
sind fettlöslich. Der Aal nimmt sie mit seiner
Nahrung auf und reichert sie dadurch in seinen
Fettvorräten an. Beim Umbau seines Körpers – Abbau
der Verdauungsorgane, dafür Aufbau der
Geschlechtsorgane – gelangen diese Giftstoffe in die
Gonaden und verhindern eine erfolgreiche
Reproduktion.
Gewässerverbauung
Zwar zeichnet sich der Aal durch ein extrem zähes
Wanderverhalten aus, das ihn zu Landgängen befähigt
oder ihn sogar glatte Betonwehre überwinden lässt,
doch bei der Abwanderung werden die Blankaale in
großer Zahl Opfer der Wasserkraftwerke. Sie lassen
sich weitgehend passiv mit der Strömung treiben, und
gelangen dadurch in die Turbinen der Kraftwerke.
Der Europäische Flussaal ist vom Aussterben bedroht.
Schätzungen gehen davon aus, dass es diesen Fisch in
20 bis 30 Jahren in europäischen Gewässern nicht
mehr geben wird.
Fisch des Jahres
Der Verband Deutscher Sportfischer (VDSF), das
Österreichische Kuratorium für Fischerei und
Gewässerschutz (ÖKF), das Bundesamt für Naturschutz
(BfN), der Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) und
der Schweizerische Fischereiverband (SFV) haben den
Aal zum Fisch des Jahres 2009 gewählt. Mit dieser
Wahl soll auf die Gefährdung hingewiesen und für
verbesserten Schutz geworben werden. |